Genre: Krimi / Komödie / Kammerspiel / Kneipenkrimödie
Erzählt aus der Autorenperspektive
Atmosphäre: versoffen, verraucht, wenig weihnachtlich
Umfang: ca. 68000 Wörter
Zielgruppen: Kneipengänger, An-Kneipen-Vorbei-Gänger, Auf-Dem-Klo-Krimi-Leser, komische Käuze und Uhus, Alt-Prenzlauer-Berger, Neu-Prenzlauer-Berger, Prenzlauer-Berg-Abstinenzler, Mal-An-Was-Anderem-Interessierte, Männer, Frauen, Diverse, der Rest – alle w/m/d
Sowie: Ernest Hemingway, Charles Bukowski, Philip Roth, Irvine Welsh, Alfred Döblin, Stephen King …
Worum geht’s?
Was weiß ich denn?
Ach ja: Um die Ermittlung im Mordfall Johnny, einem der drei Wirte der Kiezkneipe „Die Grotte“ in Berlin Prenzlauer-Berg, gekreuzigt an den Tresen – mit Kreuzschlitzschrauben – ersoffen direkt unter dem tropfenden Schwarzbierhahn.
Worum noch? Heiligabend in der Kiezkneipe „Die Grotte“.
Ums Saufen, Rauchen, Feiern.
Um Loyalität, Freundschaft, Zusammenhalt.
Um Geschichten von Menschen, die sich in der „Grotte“
ihr zweites Zuhause eingerichtet haben, das unterzugehen droht.
Um geldgeile Invasoren, denen gewachsene Kneipen-Kiez-Kultur einen feuchten Furz wert ist.
Um Max Heller, einen verlorenen Trinker, der sich zum Chef-Ermittler in Sachen Mordermittlung „Johnny“ küren lässt und ein ziemlich fragwürdiges Kneipenkrimödien-Spiel anzettelt.
Und um Conni, den erstaunlichsten Alkoholiker der Stadt,
der an diesem Weihnachtsabend Hellers Assistent sein darf.
Ja, so ungefähr könnte ich das unterschreiben …
Muss erst einmal reichen bitte schön!!!
Gruß an: Urban Blau und Frank Goldammer! Das mit Max Heller ging nicht anders …!
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Als Max Heller am 24. Dezember 2014 um genau 18:02 Uhr – es war Bier-Happy-Hour – seine Stammkneipe „Die Grotte“ betrat, tobte draußen, wie immer zu Weihnachten in Prenzlauer Berg, der Winter in wuchtiger Ausgelassenheit. Der Schnee türmte sich auf Straßen und Gehwegen, die Autos waren begraben unter der weißen Pracht und die einzigen Wesen, die noch unterwegs waren, waren die Parkticket-Kontrolleure vom Ordnungsamt.
Mit verzweifelter Verbissenheit und ausgestattet mit schwerem Schneeräumgerät schaufelten sie sich durch zu den blechernen Karossen und kratzten an den Scheiben der Autos, die schon tagelang nicht mehr bewegt werden konnten und somit, als sündige Schwarzparker identifiziert, tausende Euros in die klammen Kassen der Stadt spülten.
Eine fette Wächterin hatte versucht, den Scheibenwischer eines SUV mit ihrem fauligen Atem freizuhauchen, um den Strafzettel darunter zu klemmen, war dabei mit den nassen Lippen an der vereisten Frontscheibe kleben geblieben, mittlerweile erfroren und ruhte nun stocksteif wie eine übertrieben große Kühlerfigur auf der Haube des schneebeladenen Automobils.
Das sah zwar etwas bizarr aus, aber der harte Winter in Prenzlauer Berg fordert nun mal seine Opfer. Hämisch in sich hineingrinsend, trat Heller einen Schritt in die „Grotte“, die ihn mit wenig weihnachtlichen Klängen aus der Musikanlage empfing: Es lief „Bye, bye Johnny“ von Chuck Berry.
Er klopfte sich den Schnee von seiner für diese Jahreszeit viel zu dünnen Joppe und schlenderte, völlig nüchtern, in den Schankraum.
Was ihn dort erwartete, hatte er nicht erwartet: Keine Menschenseele. Bis auf den Wirt Johannes, genannt Johnny, dessen Seele jedoch offensichtlich das Gefäß, in dem es einstmals beheimatet war, bereits verlassen hatte. Angesichts der Leiche machte „Bye, bye Johnny“ natürlich Sinn.
Johnnys Kopf ruhte, reichlich unbequem, unter dem Schwarzbierhahn, der langsam vor sich her und in den offenen Rachen des hingeschiedenen Wirtes Schwarzbier tröpfelte und mit jedem Tropfen ein deplatziertes „Platsch“ erzeugte.
Johnny war auf den Tresen fixiert wie Jesus an das römische Kreuz. Nur nicht genagelt, sondern geschraubt. Zwei Schrauben hatten gereicht. Die eine war präzise durch die Mitte der rechten Hand getrieben worden, die andere durch die Mitte der linken. Diese jedoch nur zur Hälfte, nicht bis zum Anschlag.
Hmmm …
Weiter. Kreuzschlitzschrauben, registrierte Heller und folgerte, dass hier kein echter Handwerker am Werk gewesen sein konnte.
Den Mund voller schwarzer Brühe, sabbernd aus den toten Mundwinkeln, gammelte Johnnys Leiche hinter dem Tresen. Arbeit beendet und so abgefüllt, dass, nüchtern betrachtet, lebensrettende Maßnahmen reine Energieverschwendung gewesen wären. Johnnys Augen, etwas glasig und weit aufgerissen, starrten an die Decke, als würde sich dort alle unerfüllte Sehnsucht doch noch erfüllen: Lieben, Leben, Schokolade. Er hatte Schokolade immer geliebt. Und das Leben. Vor allem aber das Lieben oder Liebe Machen … oder …
Schwarzbier hingegen fand er zeitlebens zum Kotzen. Besonders das aus böhmischen Landen.
Die laufende CD hatte zum nächsten Lied gewechselt. Nun doch weihnachtlich: „Oh du fröhliche, oh du selige, Gnaden bringende Weihnachtszeit …“
Heller, der geschulte Krimileser und Hobbyermittler, griff zur Zigarette – nicht HB, sondern Cabinet blue – zündete diese an, inhalierte den Rauch bis ganz tief in den letzten Zipfel seiner teergeschwärzten Lunge, hielt kurz die Luft an, bevor er den nicht absorbierten Rest in das abgestandene Universum der Kneipe blies.
Dann notierte er emotionslos in seinen geistigen Notizblock:
Punkt Eins: passender liederlicher Kommentar der Musikbox konterkariert die bittere Realität – ist entweder inszeniert oder weist auf Johnnys Arglosigkeit, den Abend betreffend.
Punkt Zwei: Mord. Er musterte den Tatort. Das Blut, das aus den Wunden der Hände geflossen war, hatte kleine Rinnsale auf dem silberfarbenen Blech der Arbeitsplatte des Tresens gebildet und begann gerade erst zu gerinnen. Der leblose Körper schmiegte sich geschmeidig über den Tresen, die Leichenstarre war noch nicht eingetreten.
Punkt Drei: Der Mord kann noch nicht allzu lange her sein, allerhöchstens zehn bis zwanzig Minuten.
Er registrierte blutverschmierte Spuren von jeweils einem Finger- und einem Handabdruck, war sich aber sofort darüber im Klaren, dass er ohne eine professionelle und gut ausgestattete Spurensicherung damit kaum etwas anfangen konnte. Ein Hinweis waren sie dennoch: Die Hinrichtung, anders konnte man die Sauerei hier nicht nennen, musste eine geplante Inszenierung sein und der Mörder sich für die Umsetzung ausreichend Zeit genommen haben. Dann war offensichtlich etwas dazwischengekommen. Worauf auch die nur zur Hälfte angezogene Schraube in der linken Hand hinwies.
Der Täter flüchtet überstürzt, hinterlässt unabsichtlich Finger- und Handabdruck, die er nicht mehr wegwischen kann.
Heller notierte: Punkt Vier: Alles deutet daraufhin, dass der Täter sich sicher war, dass er sein perfides Werk ungestört hätte zu Ende bringen würde können. Dann muss etwas dazwischengekommen sein und er war gezwungen, vorzeitig abzubrechen.
Instinktiv sah er zum Fenster: von innen verschlossen. Als Fluchtweg gestrichen. Er ging zur Tür, die in den Hausflur führt: ebenfalls von innen verschlossen. Als letztes prüfte er noch das Klofenster der Herrentoilette: gleiches Ergebnis.
Ihm war auf dem Weg in die „Grotte“ keiner der üblichen Trinker oder Trinkerinnen begegnet. Die Flucht durch die Kneipenausgangstür war also auch auszuschließen. Er notierte drei große Fragezeichen: ? ? ?
Querdenken! ermahnte er sich. Was ist noch denkbar? Es war dem Täter egal, weil er sich seiner Sache sicher war? Ist er einfach nur ein fauler Sack, der auch bei sich zu Hause nur oberflächlich für Sauberkeit sorgt? Nachlässigkeit? Jemand, der gern in Blut rumschmiert? Das Blut an seiner Hand als Mitbringsel für zuhause? Selbstbefriedigung mit dem Blut des Opfers an der Hand? Oder zählt allein die Symbolik und der Rest ist pillepalle?
Kreuzigung! Heller wühlte in seinen für gewöhnlich eher lückenhaften Geschichtskenntnissen und stieß überraschenderweise auf Wissen: Kreuzigung = absolute Höchststrafe zu Jesus` Zeiten. Gekreuzigte = von Gott verflucht, verstoßen. Kreuzigung = Ausschluss aus Gottes Volk und Heil.
Heller war ein schneller Kombinierer und sofort blitzte in ihm ein erster Gedanke zu einem möglichen Motiv auf. Er kombinierte: Wenn das Bild des gekreuzigten Jesus nicht zufällig entstanden, also einfach nur den billigen Umständen der mörderischen Tat geschuldet ist, wovon ich wohl ausgehen kann, dann weist es auf Motive, die tiefer liegen als Eifersucht, Rache oder bloße Mordgier.
Da ihm keine weiteren vergleichbaren aktuellen Mordfälle bekannt waren, war wohl auch kein Serienmörder am Werk, kombinierte er weiter. Waren es religiös-politische Gründe, die Johnny das Leben gekostet hatten? Der wahre Rabbi Jesus war damals vielen ein Dorn im Auge gewesen und hatte also nicht von ungefähr am Ende eine Dornenkrone in die gottessöhnliche Stirn getackert bekommen.
Den Römern war er ein Terrorist und als solcher, auch nach heutigem Verständnis, zu Recht ans Kreuz genagelt worden.
Obwohl: Herodes wollte sich mit Jesus ja überhaupt gar nicht beschäftigen und ihn mitnichten zu Tode bringen. Den Juden war er zu aufmüpfig geworden. Ein Störenfried, Rebell und Umstürzler, der gefährlich war für Pharisäer, Sadduzäer und andere konservative Orthodoxe, die ihre Pfründe zu sichern hatten oder weiß der Teufel, wer da seine Griffel noch alles so im Spiel gehabt haben mochte.
Egal, der Teufel bringt mich nicht weiter, überlegte Heller. Vielleicht doch eher Römer oder Jude. Wer von den Besuchern der „Grotte“ kann Römer oder orthodoxer Jude sein? Wie soll ich das verdammt nochmal ermitteln? Römer schließe ich mal aus. Dänen, Katalanen und Bajuwaren treiben sich hier ab und zu rum. Aber Römer?
Also Juden. Sind mir Kippa oder Schläfenlocken aufgefallen? Nee. Warum kommen hier eigentlich nie orthodoxe Juden rein? Ist doch total koscher hier und das unselige Ding mit Jesus … längst vergeben und vergessen. Was solls … nicht abschweifen, Heller! „Grotte“. Juden. Beschneidung. Na ja. Denkbar … sieht man ja keinem an. Ist einer der Stammgäste beschnitten?
Er hatte keine Ahnung.
O.k.: Heller selbst war beschnitten. Aber seine Beschneidung war damals, als er gerade zarte zehn Jahre alt war, aus medizinischen Gründen zelebriert worden und hatte keinen konfessionellen Hintergrund gehabt.
Noch jetzt litt er Qualen, wenn er sich an die höllisch brennenden Schmerzen an seiner Eichel erinnerte, die sich über mindestens eine Woche zogen.
Bis endlich Linderung eintrat, hatte er das halbe Krankenhaus zusammengeschrien, als hätte man ihm das kleine Pimmelchen in Gänze amputiert.
Aber Jude war er deswegen trotzdem nicht und ebenso wenig der Mörder.
Spielt das wirklich eine Rolle? fragte er sich und beschloss, diesen Ansatz seiner Ermittlung im Auge zu behalten.
Zuallererst auf dem Männerklo